Passion und Ostern - Exerzitien im Alltag (Karfreitag)

Impuls für Karfreitag / 10. April 2020

Wir begehen heute den Karfreitag, den Todestag Jesu, einen Tag der Klage („Kara“= Klage). Viele Tränen sind damals geflossen, Lebensträume zerplatzt, Hoffnungen gestorben. All das geschieht auch heute noch in unserer Welt, in unserer Zeit: Kriege, Flucht, Armut, etc.. Derzeit verdrängt Corona alle anderen Themen, die aber weiterhin Wirklichkeit sind. Hinter den spröden Zahlen, die täglich durch die Presse gehen, verbergen sich Gesichter und Geschichten, ganz konkrete Menschen, die leiden,  sterben, trauern.

Innere Ausrichtung

Was bewegt mich gerade? Ich schaue meinen Alltag an. Ich nehme mir Zeit. Ich darf jetzt da sein, so wie ich heute bin. Ich spüre meinen Atem, wie er kommt und geht, ohne mein Zutun. Mit jedem Ein- und Ausatmen lasse ich meinen Atem tiefer und ruhiger werden. Ich spüre mich im Kontakt zur Sitzfläche, im Kontakt zum Boden. Ich bin da, aufgerichtet und ausgerichtet vor Gott. Ich bitte Gott mit eigenen Worten um das, was ich ersehne für diese stille Zeit.

Ausschnitt aus dem Tagesevangelium: Joh 19, 23-27 / Tod und Begräbnis Jesu

23 Nachdem die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen Teil, und dazu das Untergewand. Das Untergewand war aber ohne Naht von oben ganz durchgewoben.

24 Da sagten sie zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies taten die Soldaten.

25 Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.

26 Als Jesus die Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zur Mutter: Frau, siehe, dein Sohn!

27 Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Bibellesung

Lesen Sie die biblische Geschichte mehrmals – vielleicht auch mal laut. Verkosten Sie den Text Satz für Satz, Wort für Wort und bleiben Sie bei dem, was Sie besonders anspricht. Meditieren Sie dieses Wort. Lassen Sie es tief in sich hinein sinken wie ein Samenkorn in die Erde. Knüpfen Sie gegen Ende der Gebetszeit noch einmal bei ihrem Wunsch / ihrer  Sehnsucht  vom  Beginn an.  Kommen  Sie  mit  Gott darüber  ins Gespräch: danken, loben, fragen, bitten Sie ihn oder wählen Sie die Bibelbetrachtung nach Ignatius.

Bibelbetrachtung nach Ignatius von Loyola

Verweilen Sie bei der biblischen Geschichte und wenden sie die ignatianischen Regeln an, um in die Erzählung persönlich hineinzufinden.

  • Ich lese den Text mehrmals langsam und aufmerksam, laut oder leise.
  • Ich bereite in meiner Vorstellung den inneren Schauplatz und tauche in die Szene ein: Was sehe ich? Was höre ich? Was rieche ich?
  • Ich versetze mich in die verschiedenen Rollen hinein und spüre nach: Welche Rolle zieht mich an? Welche stößt mich ab? Wo ist mein Platz: bei Jesus unter dem Kreuz, bei den Schaulustigen, bei den Schergen?
  • Oder finde ich mich in der Gestalt Jesu wieder, angenagelt, tief verwundet, verlassen?
  • Ich achte auf meine inneren Regungen: Was spüre ich in mir: Freude, Angst, Ärger, Trauer, Scham,…?
  • Ich frage mich: Wie gehe ich damit um, wenn ich mit Leid und Dunkelheit im eigenen oder im Leben anderer konfrontiert werde? Bleibe ich trotz Angst, Hilflosigkeit, Ohnmacht als Mit-leidender dabei?
  • Ich stelle mich in den liebevollen Blick Jesu und lasse ihn zu mir sprechen: „Liebe/r…“
  • Vielleicht geht es mir wie Karl Rahner (1904-1984), dem folgender Satz zugeschrieben

wird: „Der, der ich bin, grüßt trauernd den, der ich sein möchte.“

Bildbetrachtung und Gebet

Entlang des Jakobsweges findet man zahlreiche Kreuze, bei denen Pilger Steine hinterlassen haben. Symbolisch legen sie hiermit ihre persönliche Last in Gottes Hand.

  • Ich schaue mir das Bild genauer an. Was kommt mir in den Sinn?
  • Holz und Steine scheinen wie miteinander verwachsen, beides gibt einander Stabilität…
  • Welche Steine/Lasten möchte ich dort gerne ablegen, hinter mir lassen? Welche Wunden hat das Leben mir zugefügt?

Fürbittgebet

Die Welt ist so groß und der/die Einzelne demgegenüber so klein und ohnmächtig. Erleben Sie das auch so in diesen Tagen, wenn die Horrormeldungen der ganzen Welt über die Medien an unsere Augen und Ohren dringen? Wie gut, dass wir Christen unsere Hoffnung auf jemanden setzen dürfen, der größer ist als wir selbst und größer als diese Welt.

Mit dieser Hoffnung, diesem Vertrauen wenden wir uns am Karfreitag mit unseren Klagen und unseren Bitten an Gott. Die großen Fürbitten der Karfreitagsliturgie laden ein, die Nöte und Leiden der Menschheit vor Gott zu tragen.

  • Ich nehme mir Zeit um an die Menschen zu denken, die heute leiden an Krankheit, Hunger, Krieg, Vernachlässigung, Einsamkeit und vielem mehr. Ich richte meine besondere Aufmerksamkeit auf die Nöte dieser Tage.
  • Ich mache es konkret und nehme auch die Menschen, die in meiner Umgebung oder hierzulande unter Einsamkeit, Gewalt und Not leiden.
  • Ich lasse meine Trauer zu über alles abgerissene Leben, über die Abwesenheit von Glück

und Erfüllung im Leben anderer und in meinem Leben.

„Angesichts des Leidens versagen alle glatten Rechnungen mit Gott. Man kann den Glauben an Gott nicht mit irdischem Wohlergehen verrechnen. Es bleibt ein Rätsel, warum die Welt so ist, wie sie ist. Es gibt keine Antwort auf die Frage nach dem Warum des Leidens. Glaubende wie

Nichtglaubende verstummen vor dieser großen Frage…“

Hiob

unter unbestirntem Nachthimmel
hin und her getrieben
von Irrlichtern des Schmerzes

die Knie aufgeschürft
vom vergeblichen Beten
Wundbrand des Zweifels

in schlaflosen Nächten
brüllst du den Himmel an
bleibst ihm keine Frage schuldig

Wortwechsel zwischen dir und ihm
werft ihr euch gegenseitig
die Fragezeichen an den Kopf

am Ende aber
stellt er die letzte Frage
und keine Antwort mehr.
Andreas Knapp

Tagesvorsatz:

Ich gebe dem Geschehen am Karfreitag Raum indem ich z.B. die Johannespassion höre oder mich in einige Stationen von Jesu Kreuzweg vertiefe.

Bild (unten): Hiltrud Höschler

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Eine Sammlung der Exerzitien für die Karwoche 2020 finden Sie (soweit bereits verfügbar) auf dieser Seite: