18. Woche 2015

Der gute Hirt

… das ist doch heute eine fremde Welt für uns. Ab und zu sehen wir welche auf den Rheinwiesen. Die betrachten wir mit romantisierendem Blick. Hirten zur Zeit Jesu hatten eine ungemütliche und eine gefährliche Arbeit. Sie lebten mit den Schafen und waren den gleichen Gefahren wie die Tiere ausgesetzt: Erkrankung, Überfall durch Raubtiere, Hunger durch karge Ernährung, …

Aber das Wort „Hirte“ ist heute auch verdächtig: Der Hirte führt die Schafe, er hat den Überblick. Er weiß allein, was für seine Schafe gut ist. Er wehrt sicher auch Gefahren ab. Aber nur, weil die Schafe das nicht können. Schafe sind Herdentiere ohne eigenen Willen, ohne eigene Entscheidungsmöglichkeiten. Schafe sind das Bild für Unmündigkeit, das durch das Bild vom Hirten noch verstärkt wird. Diese Bild lehnen wir als Gesellschaft ab, aber auch in der Kirche.

Im heutigen Sonntagsevangelium spricht Jesus von sich als guten Hirt. Seine Merkmale sind: Dass man sich gegenseitig gut kennt. Dass man sich füreinander einsetzt, sogar bis zur Lebensaufgabe. Dieser Lebenseinsatz gilt sogar für den Fall, dass nicht darauf mit entsprechender Hingabe geantwortet wird. Und dass man Vertrauen hat, weil der Hirt niemanden ausnützt. Im Grunde steckt hinter dem Bild vom Hirten die Tatsache der Menschwerdung Gottes, die aus reiner Zuneigung und Liebe Gottes zu uns Menschen geschehen ist.

Wenn wir als Kirche in unserem Stadtteil dem „Hirten Jesus“ folgen und seine Haltung heute leben, dann wird damit jeder Besserwisserei widersprochen. Es geht um Dialog, um Kennenlernen. In diesem Dialog sprechen wir natürlich auch die Wahrheit aus, die unser Glaube ausmacht. So wie wir versuchen zu verstehen, wie andere denken, die wenig Kontakt zu unseren Gottesdiensten und zu unserer Gemeinde haben. Diesem Dialog, der außerhalb der Kirchenmauern stattfindet, müssen wir als Gemeinde einüben. Meistens laden wir zu Veranstaltungen ein. Wir gehen aber nicht an die Orte, wo Menschen sich aufhalten, um mit Ihnen in den Dialog zu treten.

Im persönlichen Bereich geschieht das allerdings. Da diskutieren Christen in der Kneipe mit anderen, warum ihnen der Gottesdienst wichtig ist. Da erzählen sie ihren Arbeitskollegen, warum sie sich in der Kirche engagieren. Da reden Eltern mit ihren jugendlichen zweifelnden Kindern über den Glauben. Solche Dialoge geschehen nicht organisiert, auch nicht von oben herab, sondern in Augenhöhe. Etwas vom Hirt sein Jesu spiegelt sich darin wieder: von der Glaubenswahrheit Zeugnis ablegen, weil einem an dem anderen etwas liegt.

Am Montag, 27. April beginnt die Visitation durch Weihbischof Dr. Schwaderlapp in unserer Pfarrei. Bei den Gesprächen werden diese Gedanken zur Kirchenentwicklung eine Rolle spielen.

Ich wünsche einen gesegneten Sonntag!

Unterschrift Sülzenfuss
Karl-Heinz Sülzenfuss, Pfarrer und Leiter der Gemeinde

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