Gemeinsames Statement von KV und PGR zu den Missbrauchsvorwürfen gegen Pfr. O.
Liebe Gemeinde,
wenn weit weg, irgendwo anders, irgendwem Fremdes, irgendetwas Schlimmes passiert, dann neigen wir Menschen dazu, wegzusehen. „Das betrifft mich nicht. Das betrifft uns nicht. Das kann hier nicht passieren.“ Wenn im weiteren Umfeld etwas passiert, dann nutzen wir gelegentlich die Redewendung „Die Einschläge kommen näher“ – und hoffen weiter, dass uns so etwas nicht passiert. Das ist nur allzu menschlich.
Aber nun gab es einen Einschlag bei uns. Nicht irgendwo weit weg, nicht irgendwo in der Nähe, sondern hier. Bei uns. Mitten in unserer Gemeinde. Und er trifft ins Herz.
Viele von Ihnen, viele von euch, viele von uns hat die Nachricht über den „Fall O.“ tief getroffen. Viele von uns haben Pfarrer O. gut gekannt. Wir haben gemeinsam gefeiert. Nicht nur die Heilige Messe, sondern auch Pfarrfeste, Karneval, Geburtstage, Jubiläen und einiges mehr. Wir sind (je nach Alter) bei ihm zur Erstkommunion gegangen. Wir wurden von ihm getraut. Unsere Kinder wurden von ihm getauft. Wir haben mit ihm in den Gremien, Gruppen und Vereinen gearbeitet, diskutiert, und manchmal auch gestritten. Viele von uns haben ihn in guter Erinnerung.
All das wird nun überschattet von den unsäglichen Vorwürfen, von diesem ungeheuerlichen mutmaßlichen Verbrechen. Jede seiner Predigten über Moral und Anstand wird nun in Frage gestellt. Jedes seiner Worte, jede seiner Aktionen steht nun im Schatten dieses Tatvorwurfs. Manch eine und manch einer stellt gerade ihren und seinen Glauben in Frage; das ganz persönliche Verhältnis zur Kirche wird komplett in Frage gestellt. Und es ist kein weiter Weg von der Aussage „Das hätte ich ihm nie zugetraut“ zu der Frage nach der eigenen Mitschuld: „Habe ich nichts gemerkt, oder wollte ich nichts merken?“. Diese Frage jetzt für diesen Fall zu beantworten, ist kaum noch möglich.
Aber wir alle können wachsam sein, dass sich solche Fälle nicht wiederholen. Und wir vom Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat möchten denjenigen, denen in der Vergangenheit Ähnliches angetan wurde, unsere Hilfe anbieten. Sprechen Sie uns an. Wir helfen gerne, weitere Kontakte herzustellen. Ab sofort steht Ihnen auch Pfarrer Dr. Wolfgang Reuter (Pastoralpsychologe und Klinikseelsorger am LVR-Klinikum Düsseldorf) hier vor Ort als Kontaktperson bereit. (Tel.: 922-2910, E-Mail: wolfgang.reuter@lvr.de). Sie erreichen ihn in Notfällen auch über das Pastoralbüro. In unserem Institutionellen Schutzkonzept finden Sie auch einige externe Kontaktpersonen.
Die Frage nach dem Mitwissen wurde in den letzten Tagen auch an unseren aktuellen Pastor Msgr. Boss gerichtet, der vor seiner Tätigkeit als leitender Pfarrer von St. Margareta über mehrere Jahre Sekretär von Joachim Kardinal Meisner gewesen ist und eng mit ihm zusammengearbeitet hat.
Pastor Boss hat uns im PGR und KV, aber auch in einigen persönlichen Gesprächen glaubhaft versichert, dass er nichts davon wusste. Kardinal Meisner hat ihn aus diesen Themen vollständig herausgehalten.
Wir haben es Pastor Boss in den letzten Sitzungen der beiden Gremien bereits zugesichert und möchten es an dieser Stelle noch einmal öffentlich tun: Wir stehen hinter Pastor Boss und wollen ihn in dieser Situation unterstützen, die auch für ihn als leitenden Pfarrer sicherlich nicht einfach ist. Nicht zuletzt auch deswegen, weil er von Seiten des Bistums bisher nicht die erwartete Unterstützung bekommen hat. Er hat um eine Stellungnahme aus Köln gebeten, die er in seiner Ansprache vor den beiden Messen in St. Reinold und St. Katharina zusammen mit eigenen Gedanken hätte verlesen können. Er hat keine erhalten.
Wir unterstützen Pastor Boss, weil er durch sein Reden und Handeln immer wieder zeigt, dass ihm das Wohl der Menschen in unserer Gemeinde am Herzen liegt. Dadurch beweist er immer wieder, dass er seinen Beruf als Seelsorger liebt und lebt, und er sich um die Seelen vor Ort sorgt.
Liebe Gemeinde,
wir wünschten, wir könnten diese Unterstützung auch Kardinal Woelki zusichern.
Kardinal Woelki hat von schwerwiegenden Vorwürfen gegen Pfarrer O. erfahren, mit dem ihn eine lange Freundschaft verband. Er hat sich allem Anschein nach dazu entschieden, diesen Vorgang nicht weiter zu verfolgen. Entgegen seinem Versprechen der Öffentlichkeit gegenüber.
Als Kardinal und Erzbischof einer großen und einflussreichen Diözese hat er eine große Verantwortung und als oberster Seelsorger gilt diese vor allem den Menschen in diesem Bistum. Dieser Verantwortung wird er unserer Ansicht nach nicht länger gerecht. Unser Eindruck ist, dass er sich in juristische Details und kirchenrechtliche Regelungen flüchtet, statt sich um das Wohl der Menschen zu kümmern. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, die ein so machtvolles Amt mit sich bringt, gibt er seinen Fall nach Rom ab zur kirchenrechtlichen Klärung. Das empfinden wir als unwürdig und als Verhöhnung der Opfer von Gewalttaten.
Wir planen, unsere Enttäuschung, unser Entsetzen, ja, unsere Verzweiflung darüber auch in einem Brief an Kardinal Woelki zu formulieren.
Wir wollen uns dabei nicht anmaßen, ihn explizit zum Rücktritt aufzufordern. Wir möchten ihn aber auffordern, das Richtige zu tun. Dies geschieht in der Hoffnung, dass er doch noch ein Gespür dafür hat, was das Richtige ist.
- Sein Versprechen, sämtliche Missbräuche offenzulegen, muss er einhalten. Nicht im März. Jetzt. Das Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl muss veröffentlicht werden.
- Das Wohl der Betroffenen muss an erster Stelle stehen. Nicht das Wohl der Amtskirche oder das Wohl einzelner Priester und Bischöfe.
- Kardinal Woelki muss sich seiner Verantwortung den Menschen gegenüber stellen. Es ist für viele von uns nicht mehr zu ertragen, dass er den hohen moralischen Ansprüchen, die er an die Gläubigen stellt, selbst nicht gerecht wird. An die Stelle von juristischen Verzögerungstaktiken muss das moralisch Richtige rücken.
Mit seinem Verhalten der letzten Tage und Wochen schadet der Kardinal unserer Ansicht nach nicht nur sich selbst und seinem Ansehen, er beschädigt auch das Amt und die Kirche in ihrer Gesamtheit. Wir fühlen uns als Engagierte vor Ort, die wir uns immer öfter für unser Engagement in der katholischen Kirche rechtfertigen müssen, auch in unserer Arbeit diskreditiert. Und vor allem haben wir Sorge, dass er den Betroffenen erneuten Missbrauch zufügt und mit dazu beiträgt, dass alte Wunden wieder aufreißen statt weiter zu verheilen.
All das gilt auch mit Blick auf das Zielbild des Pastoralen Zukunftsweges, in dem Kardinal Woelki uns Engagierte vor Ort ermutigt, mehr Verantwortung zu übernehmen. Das aber kann für uns nur glaubhaft sein, wenn er selbst mit gutem Beispiel vorangeht.
Liebe Gemeinde,
bei einem so emotionalen Thema wie diesem - bei einem so unbegreiflichen Vorgang - ist es schwierig, die richtigen Worte zu finden und alle seine Aspekte abzudecken. Das gilt ganz besonders unter den Bedingungen, unter denen wir alle seit Mitte März leben und die jetzt wieder verschärft werden. Bedingungen, die eine direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht oft verbieten.
Wir können Sie nur ermutigen, nicht zu verzagen. Tauschen Sie sich mit anderen aus. Telefonieren Sie, skypen Sie, mailen Sie, reden Sie mit Ihren Nachbarn aus der Gemeinde. Sprechen Sie auch mit uns vom PGR und KV.
Und verbringen Sie trotz allem ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Düsseldorf, 15.12.2020
Der Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat von St. Margareta